An Angelinachjen, kleine süsse, feine, schmatzi datzi du!
Verzeih mir doch, oh La Franzos –
Das Telefongespräch ging in die Hos!
Alles Beschwichtigen im Versuch,
war zwecklos – denn „Klick, Klack“
– Du hattest genug!
Meine Rettung sah ich nur als Telefonmann!?
Doch Keiner ging mehr ans Telefon ran!
Bitte erhör doch diesen Schwur,
Denn bedroht ist meine Herzensmitte!
Ditte schwör ick! Wenn dus nicht globst:
Hand aufs Herz und auf die Titte!
Ich bin ein Schwachkopf – und das nicht nur!
In Blut geschrieben diesen Schwur!
Berlin, 26.07.2007
Hintergrund
Der Kontakt mit meinen Brüdern war im Grunde zwar immer etwas, was mich sozial gebunden hat, aber auch flüchtig und fluide war. Mal hatte ich mit dem einen oder dem anderen mehr zu tun. Ohne meine Brüder wäre ich sehr viele Jahre lang noch sehr viel einsamer gewesen. Mit dem einen verbrachte ich mal eine längere Zeit hinweg gemeinsame Fernsehabende, mit dem anderen konnte ich etwas Tischtennis spielen und mit meinem Bruder W.M. eine Zeit lang Fußball. Aber diese Phasen waren interessanterweise mehr oder weniger getrennt voneinander und überlappten sich selten. Trotzdem muss erwähnt sein, dass es mir seelisch teilweise deutlich besser ging, wenn ich mit dem ein oder anderen keinen Kontakt hatte.
Angelina war die Freundin und heutige Ehefrau meines Bruders W.M. Da die beiden zur damaligen Zeit eine gemeinsame Wohnung in Wittenau bezogen und wir quasi Nachbarn waren, war der Kontakt etwas beständiger, geprägt von kleinen Kurzbesuchen. Jedenfalls hielt ich mich damals mal mit Angelina an ihrem PC auf, weil es mit dem Gerät Probleme gab. Wir saßen nebeneinander und irgendwann stupste sie meinen Fuß mit dem ihren an. Ich zog mein Bein reflexhaft zurück. Damals waren körperliche Berührungen noch sehr viel problematischer für mich, als heute. Sie kommentierte trocken mit: „Der arme W.M.!“ Aber ansonsten ging am PC alles seinen geordneten Gang. Die Geste selbst war vielleicht überhaupt nicht anzüglich gemeint, sondern einfach nur freundschaftlich, für mich damals aber schon übergriffig. Ich kann mich zwar nicht mehr genau erinnern, aber ich erzählte (leider) meinem Bruder davon. Der Haussegen der beiden hing mindestens mehrere Wochen schief. Ich weiß noch, wie sich beide stundenlang auf der Parkbank unter einem großen Baum über ihre Probleme unterhielten. Ich weiß nicht, was sie meinem Bruder zu der Situation gesagt hat. Keiner von beiden hat danach mit mir das Gespräch gesucht. Auch wenn das Gedicht und das erwähnte Telefonat ein Versuch von mir waren, mich zu entschuldigen. Aber zwischen meinem Bruder und mir tat sich eine kaum sicht- dennoch spürbare Barriere auf. Wir haben uns zwar weiterhin ziemlich gewohnt miteinander unterhalten, seitdem jedoch nie wieder viel miteinander unternommen. Es kann zwar auch an der erwähnten Fluidität gelegen haben, was mir als einzige Erklärung aber nicht ausreicht. Die äußerst wenigen Unternehmungen kamen vermutlich deshalb zustande, weil seine Ehefrau sich dafür einsetzte. Ich weiß nicht genau, ob mein Gefühl stimmt und wenn ja, warum sie das tat. Vielleicht, weil sie die brüderliche Beziehung kitten wollte oder weil sie ein schlechtes Gewissen hatte. Aber auch ich fühlte mich im Grunde schon sehr lange (vielleicht schon immer) von der Familie entfremdet, obwohl ich das nicht erkennen und vielleicht auch nicht wahr haben wollte. Allein auch, weil ich gar nichts anderes hatte. Mitte des Jahres 2017 brach dann sowieso aus vielerlei Gründen der Kontakt mit meiner gesamten Familie ab.
Traumtagebuch
Auszug vom 06.11.2023:
Vor zwei Tagen habe ich im Pfadfinder-Chat von Don Quesada (mal wieder) geschrieben, dass ich nicht mehr vorbei komme. Das war natürlich mit Betrübnis und Unwohlsein begleitet, aber vor allem mit dem Wunsch, sich nicht der Angst und dem übergriffigem Verhalten Anderer auszusetzen. Witzig, fast vergessen: Die Nacht geträumt, dass ich im alten Haus meiner Eltern in der Nimrodstraße bin und in meinem Kinderzimmer etwas für die Pfadfinder-Zeitschrift schreibe (so wie meine Interpretationen). Plötzlich war es dunkel im Haus und auch draußen war Nacht. Ich bekam Angst. Trotzdem stand ich auf und der Entschluss, trotz Angst durch das Dunkle zu laufen, war meiner aufkommenden Wut zu verdanken. Ich lief zum Lichtschalter, der nicht funktionierte. Es blieb dunkel. Die Angst nahm zu. Trotzdem ging ich durch das gesamte Haus, und betätigte alle Lichtschalter, die alle kein Licht brachten. Im Flur mit den abgehenden Kinderzimmern rief ich dann laut in die dunkle Leere: „Ich habe Recht auf Licht!“. Als ich mich umdrehte, stand plötzlich mein Bruder W.M. neben mir. Dann bin ich aufgewacht. Heute habe ich (Stand 12 Uhr) leichte Herzprobleme.
Traumdeutung und Kontext
Ich war als Jugendlicher ein paar schöne Jahre bei den Pfadfindern. Mit mehr als zwei Jahrzehnten Abstand fand ich zum zweiten Mal als Erwachsener noch einmal Zugang. Doch leider fühlte ich mich in der Älterengruppe oft wie ein Fremdkörper (teilweise „Veranlagung“). Trotz meines Bemühens und meiner guten Leistungen (Schreiben der Interpretationen) wurde meine Rolle nicht anerkannt und wertgeschätzt (das Licht geht aus). Die Dunkelheit symbolisiert nicht nur meine Angst, sondern auch Verwirrung und Isolation. Darüber hinaus sind Ablehnung und Entwertung auch tief in der Dynamik meiner Familie verwurzelt, während für mich das eigentliche Haus meiner Eltern trotz der Instabilität und Unsicherheit ein emotional schöner Ort war (Kinderzimmer und der Wald um das Haus). Während die eigentliche Angst mich lähmt, blockiert und klein hält, erwächst in bestimmten Situationen eine Wut, die zu einer Handlungsermächtigung führt. Leider ist Wut auch sehr destruktiv und (selbst-)zerstörerisch. Doch hier im Traum handle ich mit ihr zielorientiert, weil ich aktiv zu den Lichtschaltern laufe, um Klarheit zu gewinnen. Das Nichtfunktionieren könnte auf einen Kontrollverlust hindeuten. Nicht allein der fehlenden Klarheit wegen, sondern weil meine Bemühungen ins Leere laufen. Es könnte ein Hinweis sein, dass äußere Lösungen (Lichtschalter) für innere Konflikte nicht immer ausreichen. Zuletzt rufe ich im Flur, dass mir Recht auf Licht zusteht. Der Flur könnte für eine Übergangsphase stehen. Der Ruf steht für den Wunsch, mich nicht mehr von dunklen, unklaren Situationen beherrschen zu lassen und gesehen und anerkannt zu werden.
Das plötzliche Auftauchen meines Bruders steht mit den familiären Beziehungen im Zusammenhang. Damit, dass mir oft wenig Anerkennung zukam. Er kann aber auch allgemein dafür stehen, dass ich durch familiäre Erfahrung oder anderweitig angeeignete Muster mit meinem (unbeholfenen, falschen, missverständlichen) Verhalten auch ein Auslöser der Probleme bin. Oder dafür, das meine Suche nach Klarheit und Wahrheit manchmal mehr Trennung als Heilung bringt. Aber vielleicht steht mein Bruder auch dafür, dass das Gegenüber gar kein Interesse hat, mir dieses Licht zu gewähren. Wahrscheinlich steht er auch dafür, dass trotz zerrütteter Familienverhältnisse der Verlust und die Befreiung von familiärer Bindung schmerzhaft ist. So wie der Verlust der problematischen Beziehung zu den Pfadfindern schmerzhaft sein wird. Zuletzt könnte mir sein Erscheinen noch sagen, dass es oft kein wirkliches Richtig und Falsch gibt und wir alle mehr oder weniger im Dunkeln tappen. Daher sollte man abschließend vielleicht gar nicht so erpicht darauf sein, immer alle Hintergründe genau verstehen und kontrollieren zu wollen und einfach nach vorne blicken.
Fazit von ChatGPT
Das Gedicht „An Angelina“ und die anschließenden Reflexionen verdeutlichen die Vielschichtigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen und die inneren Kämpfe des Autors. Das humorvolle Gedicht dient als Ventil für ein tiefer liegendes Schuldgefühl und den Wunsch nach Versöhnung, während die persönliche Erfahrung zeigt, wie leicht Missverständnisse und Unsicherheiten zu einer dauerhaften Entfremdung führen können. Der Traum reflektiert diese innere Zerrissenheit, indem er die Schwierigkeit, in familiären und sozialen Beziehungen Anerkennung und Klarheit zu finden, symbolisch darstellt. Alle Teile des Textes kreisen um das zentrale Thema der Angst vor Nähe, dem Wunsch nach Verbindung und der Herausforderung, trotz wiederholter Ablehnung und Unsicherheit den eigenen Weg zu finden. Der Text als Ganzes offenbart die Zerrissenheit zwischen dem Wunsch nach Zugehörigkeit und der Notwendigkeit, sich selbst treu zu bleiben, auch wenn dies bedeutet, sich von vertrauten Beziehungen zu lösen.
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