Auf dem Boden liegen
Irgendwann im Sommer 2023 konnte der Regionalzug, mit dem ich unterwegs war, wegen eines Vorfalls mehrere Stunden nicht weiterfahren. Da es bereits Abend war und ich müde, legte ich mich direkt auf den harten Boden, wo genug Platz war und ich mich bequem ausstrecken konnte. Als der Zugbegleiter mich sah, meinte er, dass ich genau das Richtige tue. Trotzdem huschte Verwunderung über sein Gesicht. Auch einige andere Mitfahrende waren etwas irritiert. Ich aber konnte einige Stunden schlafen und kam erholt zu Hause an.
Ich habe immer gerne auf dem Boden gelegen. Es gefällt mir einfach. Wenn ich beispielsweise meine Eltern besuchte, saß oder lag ich häufig im Wohnzimmer auf dem Boden. Auch im Freien, wenn andere aus verschiedenen Gründen stehen blieben, habe ich mich bereits hingesetzt.
Ich finde die Benimmregeln in Deutschland etwas verklemmt. Bloß nicht auf dem Boden sitzen, das wirkt anstands- oder verwahrlost. Beispielsweise auf Bahnhöfen. Ich frage mich, ob die Leute wirklich ihre Beine gerne in den Bauch stehen. Auch die Angst, sich die Hosen schmutzig zu machen, finde ich gerade bei Alltagskleidung ziemlich übertrieben.
Ich habe zwar immer Sorge, dass man eine schlechte Meinung von mir haben kann und mich daraufhin bewertet. Aber solange man mich nicht kennt oder es sich um dass Hinsetzen auf den Boden handelt, lasse ich unter Umständen keine Zurückhaltung walten. Das ständige Stehen oder bloß nur die vorhanden Sitzplätze nutzen, halte ich für antiquiert.
Anfang 2022 schaffte ich mein Bett und die Matratze ab. Seitdem schlief ich ununterbrochen direkt auf dem harten Boden. Die ersten paar Wochen waren sehr hart und ich hatte starke Nackenschmerzen. Nachdem ich das überstanden hatte, stellte sich jedoch spürbare Entspannung ein, die ich viele Jahre zuvor nicht kannte. Keine Nacken- und Rückenverspannungen mehr, weniger Hüftschmerzen und gesunder, tiefer Schlaf. Ich wachte immer öfter gut erholt auf. Das Schlafen auf dem Boden kann ich nur empfehlen!
Ende Dezember 2023 gönnte ich mir trotzdem eine Klappmatratze aus Kapok, weil ich gerne eine bodennahe „Couch“ haben wollte. Mittlerweile schlafe ich darauf. Die Matratze ist zwar sehr hart, aber der Wechsel vom direkten Boden auf die Matratze war, als ob man nun auf Watte gebetet ist. Aber Gewöhnung nimmt auch diese „Wohlgefühle“ sehr schnell!
Durch das Bodenschlafen bin ich mittlerweile jedoch noch etwas ‚hartgesottener‘. Jedenfalls scheint es so, obwohl ich es nicht unangenehm finde. Im Sommer 2023 fiel mir auf der Museumsinsel in Berlin eine junge Liedermacherin auf. Sie sang dort mit einem Mikrofon und einer Musikbox auf der Friedrichsbrücke und bot ihre CDs zum Kauf an. Ich fand ihre Stimme wunderschön und auch die Lieder, die sie sang. Weil ich Zeit hatte, legte ich mich auf den steinernen Boden und lauschte ihrer Musik bestimmt über eine Stunde lang. Mittendrin kam ein älterer Herr an mir vorbei und sagte so etwas wie „Tu doch nicht so, als ob das gemütlich ist!“ Ich hatte ihn zunächst nicht verstanden, sonst hätte ich ihm nur entgegnen können: Doch, ist es!
Bodenleben
Ich würde auch in meiner Wohnung das Bodenleben weiter umsetzen, aber da stoße ich noch an gewisse Grenzen. Vernünftige Bodenschreibtische gibt es so gut wie gar nicht. Daher habe ich meinen normalen Schreibtisch und einen gewöhnlichen Bürostuhl. Vielleicht bastle ich mir irgendwann einen eigenen Bodenschreibtisch. Im Schneidersitz kann ich wegen meiner Hüftoperationen nur kurzzeitig sitzen. Und Bodenstühle mit Armlehnen gibt es leider nicht mit Rollen, soweit ich das weiß. Die klassische Art scheint mir zum Arbeiten, also wenn es um Schriftverkehr geht, wo man auch öfter mal zum Regal mit den Schreibutensilien, dem Drucker und Scanner rollt oder hingeht, agiler zu sein, als wenn man vom Boden aus arbeitet. Aber das wäre sicher einfach nur eine Umgewöhnungsphase, die neue Lösungen mit sich bringen würde. Ansonsten erledige ich alles andere bereits entweder im Stehen oder auf dem Boden. In der Küche beispielsweise habe ich keine Arbeitsplatte mehr. Wenn ich etwas zubereiten will, dann nutze ich für Kleinigkeiten und wenn es schnell gehen muss, die Fensterbank oder ich nutze die Bodenfläche. Ich muss aber auch dazu betonen, dass ich viel Küche nicht brauche. Mehr als ein bisschen Obst oder Gemüse für einen Salat klein schneiden, kommt bei mir nicht zusammen. Dazu gehe ich dann meistens in den Fersensitz. Der Vorteil ist, man sitzt recht bequem und auch schmerzfrei, wenn die Muskeln gedehnt sind. Außerdem bleibt man in diesem Sitz mit dem Oberkörper äußerst beweglich. Nachteil ist, weil alles auf dem Boden liegt, dass es etwas unordentlich aussieht. Da muss ich mir noch eine Routine und eine Einrichtung angewöhnen, damit es ordentlicher aussieht. Vor allem auch deshalb, damit das Wischen und Saugen schnell von der Hand geht.
Gesundheitliche Vorteile
Das ständige Auf und Ab vom Boden in den Stand steigert auch die Fitness, trainiert das Herz und die Muskeln und hilft dabei, wie bspw. durch den Fersensitz oder die Hocke lange gelenkig und agil zu bleiben.
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